Weltklasse aus der Schweiz, Wie ein Puschlaver zum Kartenspezialisten wurde

Wer heute an Karten denkt, schaut auf sein Smartphone und lässt sich mit Karten-Apps durch den Alltag navigieren, aber Karten können viel mehr: Gesellschaftliche Entwicklungen aufzeigen, die Geschichte erklären oder den Klimawandel verdeutlichen. 


In der Kartografie ist die Schweiz Weltklasse. Begründet wurde dieser Ruf mit der Durfourkarte im Massstab 1:100’000, dem ersten amtlichen Kartenwerk der Schweiz (www.swisstopo.ch), das Blatt für Blatt zwischen 1845 und 1865 entstand. Die Siegfriedkarte war der nächste grosse Wurf. Dieser topografische Atlas Schweiz 1:25 000/1:50 000 erschien zwischen 1870 und 1926. Dieser ganze Kartenschatz, sehr viele historische Aufnahmen, sogar die ersten Luftbilder der Schweiz, die nach dem 2. Weltkrieg von amerikanischen Flugzeugen gemacht wurden – all das ist online zu finden.

Wer sich damit besonders gut auskennt ist der Historiker Marco Zanoli – er gilt als Spezialist für alle Karten der Schweiz. Der Puschlaver ist Gymnasiallehrer in Zürich und hat zusammen mit François Walter den historischen Atlas der Schweiz mit vielen selbst gezeichneten Karten zur Schweizer Geschichte – von der Urgeschichte bis zur Gegenwart – herausgegeben.

 

Langeweile als Inspiration

Seinen Ursprung hat Marco Zanolis Beschäftigung mit Landkarten auf einer kleine Alp im Val Poschiavo, auf der er zusammen mit seinen Eltern die Sommerferien verbrachte. „Fünf Wochen jeden Sommer mit so wenig Abwechslung – das könnte man sich heute gar nicht mehr vorstellen“, lacht er. „Doch für mich war es rückblickend eine sehr wichtige Zeit, von der ich enorm profitierte.“ Beim Wandern fiel ihm auf, dass sich die Landschaft veränderte. Bereits in den 80er Jahren zog sich der Varunagletscher oberhalb der Alp von Sommer zu Sommer mehr zurück. Marco Zanoli wollte diese Entwicklung genau verfolgen und begann, die alten Karten seines Grossvaters zu studieren und mit neueren Karten zu vergleichen. Interessant war, dass sich mit dem schmelzenden Gletscher auch die Landesgrenze verschob, denn in diesem Gebiet ist die Wasserscheide gleichzeitig die Grenze. Mit alten Fotos ergänzte er seine Recherchen. Damit machte bereits als Primarschüler seine ersten Schritte als Historiker.

Seiner Leidenschaft widmete Marco Zanoli viel Zeit. Er kaufte Karten in Antiquariaten oder aus Nachlässen, besuchte historische Archive und suchte alte Fotos. Auf diesen Grundlagen verfasst er zahlreiche Wikipedia Einträge und begann, Karten zu zeichnen.

 

Zeitreisen am Schreibtisch

«Am Anfang beschäftigte ich mich vor allem mit den Gletschern, denn da war die Entwicklung am deutlichsten», erzählt Marco Zanoli. Der Palü-Gletscher zum Beispiel war 1866 am grössten. Danach zog er sich bis 1900 zurück. Der Bahnhof Alp Grüm der Berninalinie wurde so geplant, dass man eine gute Aussicht auf den Gletscher hatte und er mit einer kurzen Wanderung erreichbar war. Heute gibt es einen See, wo einst die Gletscherzunge war, der Gletscher selbst ist viel weiter oben und für Wanderer ausser Reichweite.

Neben den Gletschern interessierten Marco Zanoli schon früh die alten Wege, die er mit der Hilfe von den Landkarten seines Grossvaters wiederentdeckte. Auch heute noch konsultiert er vor jeder Wanderung alte Karten, doch dafür muss er sich nicht mehr durch Archive wühlen. Auf der Swisstopo App gibt es neben aktuellen Wander-, Velo- und Schneesportrouten und Luftfahrtkarten auch historische Karten und Luftbilder. Noch grösser ist das Angebot auf der Webseite von Swisstopo. Dort sind alle je publizierten Ausgaben der Landeskarten online hinterlegt, zusammen mit zahlreichen historischen Fotos und Luftaufnahmen. So lassen sich für jeden beliebigen Ort in der Schweiz bequem am Computer Zeitreisen machen. Der Historiker ist von diesem Angebot begeistert und nutzt es intensiv. «Karten und Fotos helfen uns, die Entwicklung der Landschaft und damit auch die Entwicklung der Schweiz besser zu verstehen. Dass dieser riesige Datenschatz online zur Verfügung steht, ist einfach nur grossartig.»

 

Karten sind Kunstwerke

Was geschieht nun mit den alten Karten, die viele uns noch in irgendeiner Schublade aufbewahren – macht das Online-Angebot das nun alles überflüssig? Das verneint Marco Zanoli entschieden – Karten sind für viele beim Wandern unverzichtbar, denn nicht jeder wolle sich einzig auf eine App verlassen. Und überhaupt: «Viele dieser Karten sind Kunstwerke und verdienen einen Ehrenplatz an der Wand».

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unsere Favoriten
www.swisstopo.ch
Zeitreise
Historische Luftaufnahmen von 1945
Terrestrische Aufnahmen

Swisstopo App – Schweizer App des Jahres 2021

Die swisstopo-App zeigt sämtliche Landeskarten vom Massstab 1:10 000 bis 1:1 Million, Luftbilder, Luftfahrtkarten und historische Karten flächendeckend über die ganze Schweiz. Ergänzt werden die Karten mit zahlreichen Zusatzinformationen zu den Themen öffentlicher Verkehr, Wandern, Velofahren, Schneesport und Aviatik. Die App enthält nebst den offiziellen Routen der Schweizer Wanderwege auch SchweizMobil-Routen.

Unsere Highlights: Historische Karten, Panorama-Modus, Tourenplaner

Text: Luzia Campell | Bild: swisstopo.ch

In Zusammenarbeit mit
swisstopo.ch

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