Wassersport-Mekka Silvaplana: Surfbrett statt Bergschuhe

Wassersport wie Windsurfen mitten in den Bergen? Ja, das geht. Und zwar in Silvaplana im Oberengadin. Dafür verantwortlich sind unter anderem der Malojawind und die richtigen Leute am richtigen Ort.


1800 Meter über Meer, umgeben von Arvenwäldern und Dreitausendern, deren Spitzen selbst im Juli und August von Schnee bedeckt sind. All dies lässt nicht vermuten, was jeweils in den wärmeren Monaten auf dem Silvaplanersee im Oberengadin abgeht. Dann gleiten nämlich Windsurfer, Kitesurfer, Wingsurfer und Segler über das türkisblaue Wasser, dessen Temperatur selbst im Sommer selten mehr als 15 Grad beträgt. Von aussen betrachtet erinnert das alles an einen perfekt orchestrieren, eleganten Tanz von Schmetterlingen.

Der berüchtigte Malojawind

Weniger graziös stelle ich mich während eines Wingsurf-Kurses bei «Windsurfing Silvaplana» an. Wingsurfen ist eine Kombination aus Wind- und Kitesurfen. Das Segel respektive der Wing ist dabei nicht mit dem Brett verbunden, so dass der Mensch zum Mast wird. Für mich ist es zu Beginn ein Kampf gegen den, der Silvaplana zu einem weltweit bekannten Hotspot für Wassersport macht: Den Malojawind. Der verlängerte Talwind vom Bergell wird zusätzlich durch die im Oberengadin hangaufwärts wehenden Winde angesogen. Er setzt während der Sommermonate bis in den Herbst hinein jeweils pünktlich um die Mittagszeit ein und gewinnt laufend an Stärke. Dabei erreicht er vom Malojapass kommend Geschwindigkeiten von bis zu 50 Kilometer pro Stunde. Um actiongeladene Wassersportarten auszuüben, muss man also nicht bis nach Teneriffa oder Hawaii reisen.

Ein Kampf

Ich nehme derweil erstmal unfreiwillig einen Schluck Wasser aus dem Silvaplanersee. Bäuchlings auf dem Surfbrett liegend, versuche ich paddelnd gegen den immer stärker werdenden Wind anzukommen, um danach mit Hilfe des Foils über den See zu düsen. Erste kühle Bekanntschaften mit dem Silvaplanersee habe ich bereits ein Jahr vor dem Wingsurf- Kurs gemacht. Damals versuchte ich mich im Windsurfen. Besonders den ersten Tag verbrachte ich hauptsächlich im statt auf dem kalten Gewässer. Auf die die korrekte Fussstellung achten, das Segel im richtigen Moment öffnen und schliessen sowie zu vermeiden vom Brett zu fallen, war ein bisschen viel auf einmal. Aber am zweiten Tag löste sich der Knoten und ich gleitet mit einem Gefühl der völligen Unbeschwertheit und Freude fast wie schwerelos über das Wasser.

Wenn sich der Knopf löst

Grund genug also, mich auch im Wingsurfen zu versuchen. Die wohl grösste Hürde ist dabei der Start. Denn vom Wasser aus geht es direkt auf die Knie, wobei man den mit Luft gefüllten Flügel mit beiden Armen über dem Kopf halten muss. Danach heisst es vorderes Bein anwinkeln und dann ganz aufstehen. Wie geahnt erweist sich das alles andere als einfach. Und schon befinde ich mich einmal mehr unter Wasser und halte nach dem Auftauchen nach Brett und Wing Ausschau. Also setzte ich meine Hoffnungen, wie beim Windsurfen erlebt, auf den zweiten Kurstag. Und tatsächlich funktioniert es auch dieses Mal an Tag 2 plötzlich, so dass ich mehr oder weniger sicher auf dem Brett stehe und den Wing so drehe, dass der Wind mir Antrieb gibt. Sofort sind sie wieder da, die Gefühle von Unbeschwertheit, Freude und Glück.

Den Boom genutzt

Doch nur ein spezieller Wind und ein schönes Panorama machen einen See noch lange nicht zu einem Wassersport-Hotspot. Es brauchte in den 1980er-Jahren auch die richtigen Leute am richtigen Ort. Das bestätigt auch Sarah Missiaen, Inhaberin von «Windsurfing Silvaplana». «Damals erlebte Windsurfen einen regelrechten Boom. Es wurde praktisch auf jedem Tümpel gesurfed und jeder hatte ein Surfbrett auf dem Dach», sagt sie. Der Silvaplaner Curdin Conrad nutzte die Gunst der Stunde und gründete die erste Surfschule im Oberengadin. Ein paar Jahre später übernahm sie Missiaens Vater Arnoud. Vor 30 Jahren entstand dann «Windsurfing Silvaplana». Seit rund zwölf Jahren führt nun Sarah das Unternehmen alleine und beschäftigt in den Stationen Silvaplana und Sils 10-15 Mitarbeitende. Aber auch die Gemeinde spielte ein wichtige Rolle in der Erfolgsgeschichte von Silvaplana. «Hätte man sich gegen den Wassersport gewehrt, hätten wir mit Sicherheit weniger Touristen», so Missiaen.

Zum Schluss sei noch eines gesagt: In Silvaplana vom Surfbrett zu fallen, ist gar nicht so schlimm. Denn das fantastische Engadiner Bergpanorama entschädigt einen beim Auftauchen allemal.

Box


Wassersport-Mekka Silvaplana
Wer eine Wassersportart lernen oder ausüben will, ist im Oberengadin am richtigen Ort:

Windsurfen: Bei «Windsurfing Silvaplana» gibt es Windsurfkurse für Erwachsene und Kinder, für Anfänger (ab 7 Jahre) und Fortgeschrittene. Zudem steht ein grosses Sortiment an Test- und Mietmaterial sowie ein Windsurf-Shop zur Verfügung. www.windsurfing-silvaplana.ch

Kitesurfen: «Swiss Kitesurf» bietet Kitesurfkurse für Erwachsene und Kinder, für Anfänger und Fortgeschrittene sowie Test- und Mietmaterial. www.kitesailing.ch

Wing Foiling: Die Sportart gilt als neuster Trend unter den Wassersportlern. Kurse gibt es bei «Windsurfing Silvaplana» oder «Swiss Kitesurf».

Stand Up Paddling: Stand Up Paddle-Material kann man bei «Windsurfing Silvaplana» und «Swiss Kitesurf» mieten. Zudem stehen spezielle Kurse wie SUP & Yoga, SUP-Touren und XXL-SUPs im Angebot.

Segeln: Bei der Swiss Sailing School kann man das Segeln lernen, die Segelprüfung absolvieren oder ein Segelboot chartern. www.swisssailingschool.ch

Text: Markus Fässler | Bild: Fabian Gattlen

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